Da saß ich nun auf dem Kitzsteinhorn unweit von Kaprun in Österreich und blickte im Wechsel auf den strahlend blauen Himmel, die blendend weisse Gletscher-Piste und genoss die wunderbare Fernsicht aus einer Höhe von etwa 3.000 Metern hinab über das weite Land. Eigentlich atemberaubend schön. Wenn da nicht gelegentlich mein Blick aus der Ferne in die unmittelbare Nähe auf meine beiden Füsse gelenkt worden wäre. Diese waren nämlich auf einem Brett festgeschnallt. Beide. Nebeneinander. Unerschütterlich. Unbeweglich. Ungewohnt. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Und wie konnte es nur dazu kommen? Da war ich doch viele Jahre begeisterter Skifahrer, Mitglied in einem südbadischen Ski-Club und bei jeder Gelegenheit auf zwei Brettern in fast allen Skigebieten der Alpen unterwegs. Und nun das? Was vor etwas mehr als einer Stunde noch ungebremste Abenteuerlust und wilder Entdeckerdrang war, löste sich gerade in purem Selbstzweifel auf.
Eine Stunde Snowboard-Schnuppern lag hinter mir, als sich die Snowboard-Lehrerin mit einem „Du packst das schon“ lachend gen Tal schwingend verabschiedete. Das sah bei ihr wirklich sehr leicht, unbeschwert und hinreissend ästhetisch aus.
Also hoch mit dem Hintern aus dem Schnee und die gerade gelernten Basics nochmals abrufen. Und im besten Fall in eine kontrollierte, physikalische Bewegung talwärts umsetzen. Aber da war es schon, das Problem - die Kontrolle. Wurden meine Ski in Anfänger-Urzeiten zu schnell, gab es immer noch den guten alten Pflug, bei dem man die Beine bei geschlossenen Spitzen einfach nur auseinander drückte. Kommt man mit dem Snowboard zu schnell aus einer Kurve, hilft einem dieser hundertfach praktizierte Reflex relativ wenig. Und so kam es, wie es kommen musste. Bereits nach der ersten Backside-auf-Frontside-Kurve (zumindest die Theorie war soweit klar) stand eine Dreiergruppe von Skifahrern zur falschen Zeit am falschen Ort. Trotz einer verzweifelten Notbremse durch Sich-Fallenlassen genügte die verbliebene kinetische Rest-Energie, um den ersten Skifahrer leicht zu touchieren (an dieser Stelle gehen Zeugenberichte auseinander), worauf die direkt in einer Linie dahinterstehenden Skifahrer zwei und drei wie Dominosteine ebenfalls umkippten. Ihr erster Kommentar: „Fucking Snowboarder“. Mein erster Kommentar: „Entschuldigung, aber ich bin Skifahrer!“.
Was habe ich aus dieser Situation mitgenommen: Erstens - der Kitzsteinhorn-Gletscher hat ein internationales Publikum. Zweitens - ein Snowboard an den Füssen ist in einer Diskussion ein schlecht zu widerlegendes Indiz. Drittens - es kam eine diskrete Ahnung auf, dass zwischen diesen beiden Wintersportgruppen eine gewisse Rivalität zu bestehen schien.
Mittlerweile sind es mindestens genauso viele Snowboard-Jahre geworden, wie es vorher Ski-Jahre waren. Anfangs war es mal das eine, mal das andere Sportgerät, je nachdem in welchem Gelände und mit welcher Gruppe ich unterwegs war, aber recht schnell landete ich nur noch bei dem einen Schnee-Brett, das mir den größten Spaß bescherte. Egal wann, egal wo und egal mit wem. Aber muss das immer so sein? Was sind die Unterschiede zwischen Ski und Snowboard und was passt zum einen ganz wunderbar und zum anderen vielleicht gar nicht? Warum kann sich das im Laufe des Lebens sogar immer mal ändern? Und wer ist vielleicht am besten beim Schlittenfahren oder Eisstockschiessen aufgehoben?
Voraussetzungen und Fitness.
Eigentlich gibt es für beide Wintersportarten keine wirkliche Altersbegrenzung. Schulen bieten für das Skifahren Anfängerkurse für Erwachsene zwischen 18 und 88 Jahren an. Auch das Snowboarden ist schon lange aus dem „Coole kids only“-Zeitalter heraus. Auf den Pisten wimmelt es mittlerweile von reiferen Könnern.
Bei Kindern lauten die Empfehlungen der Spezialisten, dass ein Einstieg ins Skifahren bereits mit 3-5 Jahren, ins Snowboarden wegen der höheren erforderlichen Muskelkraft im Oberkörper ab 5-8 Jahren erfolgen kann. Aber beim Skifahren wie beim Snowboarden ist es wie bei allem - entscheidend sind die individuellen Voraussetzungen bei jedem Kindes und bei jedem Erwachsenen.
Sowohl das Skifahren als auch das Snowboarden erfordern immer eine gewisse sportliche Grundkondition und Beweglichkeit. Je mehr, desto besser. Eine schwache und untrainierte Muskulatur führt ganz zuverlässig dazu, dass man die erlernte Technik nicht exakt oder gar nicht mehr umsetzen kann. Stürze und Verletzungen sind vorprogrammiert, womit man wiederum sich selbst und andere gefährdet. Die nachlassende Kraft ist die dominierende Ursache dafür, dass leider die Zahl der Rettungsschlitten- und Helikoptereinsätze auf allen Pisten der Welt am Nachmittag exponentiell ansteigt. Deshalb sollten sich Couch-Potatos wirklich lieber den oben genannten, alternativen Wintersport-Arten zuwenden und auf ein wie auf zwei Bretter verzichten.
Im Vorfeld ist jede Form von Ausdauer-Training hilfreich. Sowohl Skifahrer wie Snowboarder profitieren von Übungen, die speziell die Beinmuskulatur stärken (Fahrradfahren, Step-Aerobic, Sprungübungen, Wandern). Auch Arm- und Schultermuskeln werden bei beiden gefordert, für den Stockeinsatz beim Skifahrer und für das Aufstehen beim Snowboarder. Mehr als der Skifahrer sollte der Snowboarder darüber hinaus seine Gesäß-, Bauch- und Rückenmuskeln trainieren (Sit-ups, Crunches), zusätzlich auch die Muskulatur der Unterschenkel (Zehenspitzen- und Fersenstand).
Mit seinem Arzt sollte Rücksprache nehmen, wer in der Vergangenheit bereits bedeutsame Verletzungen an Sprung-, Knie- und Hüftgelenken oder Wirbelsäule hatte. Snowboarden ist etwas weniger kniebelastend, da im Gegensatz zum Parallel-Schwung der Skifahrer die Steuerung beim Snowboard nicht hauptsächlich durch Rotation in den Kniegelenken, sondern eher aus der Kippung und Drehung des Gesamt- und Oberkörpers erfolgt.
Ein für jeden erreichbares Niveau beim Snowboarden
Equipment.
Die Ausrüstung von Skifahrern und Snowboardern hat viele Überschneidungen, die Kosten sind daher ähnlich hoch. Skifahrer brauchen Skistiefel, Skier mit Bindungen und Stöcke; Snowboarder Boots und Board mit Bindungen. Hinzu kommen in beiden Sportarten Helm, Ski- bzw. Snowboardbrille, Handschuhe und Kleidung (bestehend aus Jacke, Hose, Thermosocken und Funktionsunterwäsche). Eine Snowboardjacke ist in der Regel etwas länger als eine Skijacke und eine Snowboardhose ist normalerweise etwas weiter als eine Skihose. Dadurch hat man mehr Komfort und Schutz beim Fallen oder Sitzen im Schnee. Aber die Designs ändern sich ständig, deshalb gibt es oft die gleichen Styles für Skifahrer und Snowboarder. Eines ist beim Outfit beider Gruppen zu beobachten - alles wird bunter. Böse Zungen ziehen dabei bisweilen einen statistisch nicht hundertprozentig abgesicherten Schluß - Vorsicht vor Skifahrern in komplett schwarzen oder dunkelgrauen Anzügen. Die fiktive Kausalkette ist folgende: schwarzer Anzug steht für wenig Interesse an modischen Trends auf der Piste, da die Träger selbiger Farbe eher selten in den Bergen sind, also selten skifahren. Was synonym ist für wenig Übung und wenig Routine und damit schlechte Beherrschung und Kontrolle der beiden Bretter. Aber das kann natürlich alles auch ganz anders sein. Da ist einfach jemand erhaben und immun gegenüber den sich in jeder Saison ändernden Verlockungen der Ski-Industrie.
Viele Snowboarder tragen anfangs und auch später Handgelenk-Protektoren, welche das Risiko von Handgelenksfrakturen senken. Wegen der höheren Verletzungsgefahr durch Sprünge ergänzen viele fortgeschrittene und sehr ambitionierte Snowboarder einen Rückenprotektor, manche auch einen Hosenprotektor mit Schutz für Oberschenkel, Steißbein und Hüfte.
Der Erwerb der vollständigen Ausrüstung schlägt mit ungefähr 800 Euro zu Buche, wobei man rund 400 Euro allein für das Board beziehungsweise die Skier samt Bindung einplanen muss. Gerade bei professionellen Raceboards oder bei Skiern mit ausgefeiltester Technik und Material kann es dann auch schnell vierstellig werden, für Einsteiger ist das jedoch (noch) kein Thema.
Gerade zu Beginn der Wintersport-Karriere ist es eine gute Option, Skier oder Board zu leihen.
Lernkurven.
„Es ist einfacher, Skifahren zu lernen, als es zu meistern, und es ist schwieriger, Snowboarden zu lernen, als es zu beherrschen“ ist ein beliebter Slogan, wenn es um den Vergleich beider Lern- und Erfolgskurven geht.
Obwohl der Skifahrer von Anfang an zwei Skier und zwei Stöcke koordinieren muss, hat er zu Beginn schnellere Erfolgserlebnisse. Einen flachen Hang kann fast jeder nach wenigen Minuten auf seinen beiden Schienen (= Brettern) hinuntergleiten. Und die Stöcke stören nicht, wenn man sie - wie es viele tun - in dieser frühesten Phase flügelartig weit ab vom Körper hält oder zunächst ganz auf diese verzichtet. So blickt der Ski-Anfänger am ersten Tag und oft auch im Verlauf der ersten Woche schon einmal leicht triumphierend hinüber zum Hang der Snowboarder, die evolutionstechnisch den aufrechten Gang immer noch nicht erreicht haben. Diese kämpfen nämlich anfangs durchgehend um Balance und Gleichgewicht, da jeder Ausfallschritt zur Verhinderung des erneuten Umkippens logischerweise unmöglich ist. Während der halbwegs talentierte Skifahrer schon ziemlich aufrecht seinen neuen Bogner-Skianzug in Szene setzen kann, weckt die Körperhaltung der Snowboarder über einen längeren Zeitraum eher Assoziationen mit einem Entenschwarm oder mit King Kong. War man zuvor Skifahrer, ist die seitliche Bewegungsrichtung zusätzlich sehr gewöhnungsbedürftig. Leichter zu erlernen ist das Snowboarden, wenn man schon Erfahrung mit Skateboards oder Surfboards hat, allerdings reduzieren diese Vorerfahrungen die Anzahl der blauen Flecken an Knien und auf dem Gesäß nur unwesentlich. Manche Snowboarder berichten auch stolz von nur einem blauen Fleck, wobei dieser aber in aller Regel die gesamte Körperregion abdeckt.
Akademiker haben in Studien ermittelt, dass sich ab einer gewissen Praxis-Dauer die Lernkurven überschneiden. Dass heisst die erlernte Grundtechnik führt beim Snowboarder dazu, dass er den Skifahrer erst ein- und dann überholt, indem er sehr schnell in einen Bereich vordringt, wo er schneller fahren kann und der sogenannte Fun-Faktor exponentiell zunimmt, während der Skifahrer noch weiter step by step an der Koordination und Abstimmung seiner vier Equipment-Teile arbeiten muss, um ähnlichen Fun zu empfinden. Was ich im eigenen empirischen Vergleich voll und ganz bestätigen kann.
Ein für jeden erreichbares Niveau beim Skifahren
Fahrstil und Technik.
Der größte Unterschied zwischen dem Skifahren und dem Snowboard ist hinreichend bekannt und
auf einen Blick erkennbar: der Skifahrer benützt zwei Ski sowie zwei Stöcke, der Snowboard-Fahrer hat nur sein Brett. Beherrscht man das eine oder andere, sind Ski und Snowboard ähnlich vielseitig. Sowohl auf zwei Brettern wie auf einem Board kann der optische Eindruck des Ausübenden auf Zuschauer von bemitleidenswert („Oh der/die Arme“) über wohlwollend (‚Naja, wird schon noch“) bis ekstatisch reichen („Oh mein Gott sieht das gut aus, ich will das auch können“). Was letztendlich egal ist, da es einzig auf den Spaß der Wintersportler selbst ankommt.
Lange Zeit hatte das Snowboard dem Skifahren die sogenannte Carving-Technik voraus. Während die früheren Ski in Kurven (vor allem in steileren Hängen) noch einen starken Seitwärtsdrift aufwiesen, beeindruckten die Snowboarder bereits damit, dass sie in Kurven bei hoher Geschwindigkeit nur auf der Kante fuhren und eine scharfe Spur in den Schnee schnitten, manchmal sogar auf der Frontside mit einer Hand die steile Bergwand berührend wie Wellenreiter das über ihnen brechende Wasser in einer Tube. Das ist nicht nur optisch attraktiv, sondern erlaubt immer höhere Kurvengeschwindigkeiten, was wiederum die gesamte Zentrifugalkraft auf den Körper des Snowboarders überträgt. Oder wie es Snowboarder treffend auf den Punkt bringen: „Einfach nur ein geiles Feeling!“. Moderne Carvingski ermöglichen diese neue Fahrtechnik mittlerweile ebenfalls durch eine stärkere Taillierung, daran angepasste Parameter des Skiaufbaus (weicher Flex bei gleichzeitig hoher Torsionssteifigkeit) und eine entsprechende Gesamtgeometrie. Je stärker der Aufkantwinkel ist, desto schnittiger und enger werden Kurven gezogen. Wintersportler, die sowohl die eine wie die andere Carving-Erfahrung gemacht haben, sehen das Snowboard bei der Carving-Experience immer noch vorne. Nach einem intensiven Carving-Erlebnis haben aber sowohl Skifahrer wie Snowboarder etwas gemeinsam - die leuchtenden Augen und die nicht enden wollenden Geschichten an der Après Ski-Bar.
Durch diese Modell-Innovationen ist es der Ski-Industrie gelungen, den Siegeszug des Snowboards aufzuhalten, ja sogar zurückzudrängen. Teilweise wirkt es fast so, als ob auf der Piste viele Wintersportler vom Snowboard wieder auf den einst so verpönten Ski zurückgewechselt hätten. Angeblich sollen die Umsätze von Snowboards in den letzten Jahren spürbar eingebrochen sein.
Wo das Snowboard aber immer noch die „Nose“ (Nase oder gleich vorderes Ende des Boards) vorne hat, ist die Tiefschnee-Tauglichkeit. Auch hier haben gute Skifahrer mit ihren heutzutage breiten Brettern in den Bereich der Top-Schnee-Erfahrungen vorstoßen können, allerdings ist das Gleiten des Snowboards durch den (vielleicht sogar unberührten) Tiefschnee mit kaum einem anderen Sport-Gefühl vergleichbar. Durch die Sohle der Boots und durch das Brett kann man den Powder unter seinen Füssen perlend spüren. Wieder drängt sich die Analogie zum Wellenreiten auf. So ist es zu erklären, dass Jubelschreie der Entzückung die von neuem Schnee bedeckte, majestätische Berglandschaft durchdringen und manches Echo zurückwerfen.
Ist der Tiefschnee der Freund des Snowboarders gibt es auf der anderen Seite aber auch den Ziehweg als absoluten Feind. Es gibt keinen anderen Ort, wo Snowboarder die Skifahrer mehr um ihre Stöcke beneiden als hier. Routinierte Snowboarder meistern diese flachen Stücke, die es in jedem Skigebiet mehr als genug gibt, dadurch, dass sie schon vor dem Losfahren oben am Berg eine strategische Fahrroute entwerfen. Das Gelände wird mental analysiert, in nützlich abfallende und gefährlich flache Abschnitte eingeteilt und beides in einem geistigen Algorithmus in Einklang gebracht. So schafft es der erfahrene Snowboarder mit nicht zu viel, aber doch ausreichendem Tempo in die langen Flachstücke hineinzugleiten, um eben noch jene Kante zu erreichen, nach der das Gefälle wieder zunimmt. Dankbar nimmt ein nicht so routinierter, allmählich fast zum Stillstand kommender Snowboarder den rettenden Skistock eines mitleidigen Skifahrers an, der ihn über die kritische Passage hinwegzieht. Aber es gibt da auch den triumphierenden Skifahrerblick, wenn die Snowboarder mal wieder einen Wandertag einlegen.
Nicht nur auf Ziehwegen, sondern auch generell ist Skifahren schneller als Snowboardfahren, jedenfalls was die Rekorde betrifft. Durch die größere Breite und Reibung des Boards liegt die Spitzengeschwindigkeit beim Snowboard bei maximal 200 km/h. Die schnellsten Skifahrer bringen es mit ihren Speedski auf mehr als 250 km/h. Aber das spielt im Alltag des Durchschnittsfahrers (hoffentlich!) keine Rolle. Dort werden in der Regel Geschwindigkeiten zwischen 30 und 60 km/h erreicht. Und einmal mehr - hoffentlich bei voller Kontrolle.
Und wenn man schon beim Fahrstil ist, kommt man auch ganz automatisch zum Freestyle. Trickskifahren – so sagte man beim Skifahren früher und so wird der Begriff Freestyle kurz und knackig auch heute noch im Duden beschrieben. Terminologisch uncool, Freestyle klingt einfach besser. Aber im Grunde ist es wirklich nichts anderes als Tricksen auf Skiern oder Snowboard: Rückwärtsfahren, Drehen, Springen, Sliden, Twisten, Tweaken, Grabben, etc.. Auch da hat die Weiterentwicklung der Ski-Formen - teilweise wieder angelehnt an die Snowboard-Modelle z.B. mit hinten und vorne abgerundeten Enden - den Skifahrern ganz neue Sphären erschlossen. Es gibt unzählige Tricks und Figuren, die bei den Profis in akrobatische Flugeinlagen mit Saltos und Schrauben münden. Bevorzugte Spielwiese der Freestyle-Snowboarder und Freestyle-Skifahrer ist meist der Funpark in einem Skigebiet. Immer mehr Skiorte wollen über dieses Angebot auch die jüngeren Wintersportler oder Eltern mit ihren jugendlichen Sprösslingen anziehen. Man trifft sich bei der Halfpipe, sieht cool aus und verhält sich auch so, aber muss dann auch mal liefern, zum Beispiel mit einem Haakon Flip oder einem Backside Rodeo.
Auch das Terrain des Touren-Skifahrens haben die Snowboarder mittlerweile entdeckt. Um jenseits von Liften auf die Berge zu kommen, schnallt man sich das Board auf den Rücken und benutzt Schneeschuhe.
Liften.
Um am Berg glänzen zu können, muss man erst mal auf selbigen hinaufkommen. Nicht jeder fängt mit Helikopter-Skiing oder Helikopter-Snowboarding an. Also ab zum Lift.
Die bequemste Variante heisst Ski plus Stöcke oder Snowboard unter den Arm bzw. in die Hand und in eine große Gondel einsteigen. Das ist wie Fahrstuhlfahren. Einfach und ohne Problempotential. Zumindest wenn die Gondel eine Dimension wie zum Beispiel die Tiroler Zugspitzbahn hat.
Die Kategorie direkt darunter ist die Kabinenbahn. Hier steckt man die Skier in eine Halterung ausserhalb der Bahn, behält die Stöcke in der Hand und setzt sich bequem nach innen. Erste Interferenzen gibt es, wenn auch Snowboarder miteinsteigen wollen. Mittlerweile gibt es in den Halterungen auch breitere Schlitze für Snowboards, allerdings blockieren die raumgreifenden Bindungen der Boards oft die Schlitze für die Ski. Aber nicht wirklich ein Problem, da das Bahnpersonal beim Einstecken von Ski und/oder Snowboards in der Regel zur Hilfe kommt oder die Boarder nehmen ihre Boards mit in die Kabine.
Bei den Sesselliften gibt es mittlerweile eine Vielzahl an Modellen. Da gibt es den alten Metallsessel, der beim Einstieg mit einem ungebremsten Tempo auf die wartenden Skifahrer und Snowboarder zudonnert, sodass sowohl Skifahrer wie Snowboarder nach einem längeren Aufenthalt in solch einem technisch - nennen wir es - traditionellen Skigebiet sehr zuverlässig Blutergüsse in den Kniekehlen als Urlaubserinnerung zurückbehalten. Traditionelle schweizerische, aber auch manche US-amerikanischen und kanadischen Skigebiete in den Rockies halten bis heute aus unterschiedlichsten Gründen an dieser brachialen Beförderungsform fest. Am anderen Ende der Sessellift-Skala brilliert das Komfortmodell mit Beschleunigungstransportband beim Einstieg, verlangsamtem Sesseltempo im Tal und auf dem Berg, gepolsterten und beheizten Sitzen, Abdeckhaube für schlechtes Wetter und automatischem Anheben der Haube und der Fußbügel vor dem Ausstieg. Natürlich kann man darüber streiten, ob das alles sein muss oder ob man einem Verweichlichungsprozeß anheim gefallen ist, wenn man das alles gut findet.
Bis hierhin gibt es bei den Beförderungstechniken für Skifahrer und Snowboarder noch keine eklatanten Unterschiede. Allenfalls der Ausstieg aus dem Sessel mit dem seitlichen Gleiten kann bei starkem Gefälle für den Anfänger auf dem Brett etwas herausfordernd sein und man kommt dem ein oder anderen Skifahrer unabsichtlich etwas näher. Eine Vorwarnung noch im Sessel ist hilfreich und steigert das Verständnis für das, was dann vielleicht kommt.
Der Schlepplift ist für den Snowboarder schon eher anspruchsvoll. Das seitliche Gleiten auf einer von Skifahrern mit Rillen ausgetretenen Spur ist eine echte Herausforderung an den Snowboarder bezüglich der Balance, der Steuerung und der richtigen Belastung des Brettes. Dabei bleibt das vordere Bein in der Bindung fest angeschnallt, das hintere ist frei und wird lose vor der hinteren Bindung aufs Brett gestellt. Viele Snowboarder verkrampfen schon vor dem Einstieg extrem. Fehlende Lockerheit in Beinen und Oberkörper und überschiessende Korrekturbewegungen führen dann zu unnötigen, vorprogrammierten Stürzen. Folge: Lift stoppt, alle schauen zu, wie man zur Seite krabbelt. Erniedrigendes Zurück-auf-Start. Alles von vorne. Da ist es sehr hilfreich, wenn man die ersten Schlepplift-Versuche mit einem etwas erfahreneren Snowboarder unternimmt. Ein Snowboarder muss nicht alleine liften, im Gegenteil, die Kombination mit einem zweiten Snowboarder oder einem Skifahrer wirkt ausgesprochen stabilisierend. Ganz egal ist es dabei, ob einer oder beide Snowboarder „regular“ (linker Fuß vorne) oder „goofy“ (rechter Fuß vorne) auf dem Brett stehen. Auch hier ist es ratsam, sich das stresslose Einfädeln der Schlepplift-Bügel zu Beginn einmal zeigen zu lassen.
Ausgerechnet an manchen Übungshängen ist der für den Snowboarder schwierigste aller Liftformen sehr gerne vertreten - der Tellerlift. Beim Tellerlift befindet sich am Ende einer kurzen Stange eine Art runde, tellerähnliche Plastikplatte, die man sich zwischen die Beine klemmt. Die Krümmung der Haltestange und die oft fehlende kontinuierliche und straffe Zugkraft des Lift-Seiles sind beste Voraussetzungen für den Snowboardanfänger, genau die Balance zu verlieren, die man in diesem Stadium noch gar nicht hat. Lösung: Brett unter den Arm und die meist sehr kurzen Anfängerhügel hochlaufen, was auch gleich ein gutes Warm-Up ist.
Snowboard extrem
Gemischte Gruppen.
Skifahrer können nur mit anderen Skifahrern und Snowboarder können nur mit anderen Snowboardern fahren, so ein beliebtes Vorurteil. Weit gefehlt.
Irrtum eins: Skifahrer müssen nach dem Liften beim Start in die Piste immer auf Snowboarder warten, da diese ewig brauchen, um ihre Bindungen festzuschnallen. Falsch. Das war vielleicht mal in den Urzeiten des Snowboardens so, dass Snowboarder immer noch oben im Schnee saßen, während die Skifahrer schon unten in Richtung Schnee-Bar unterwegs waren. Die modernen Snowboardbindungen erlauben eine sehr rasche Fixierung. Die beiden Schnallen über Fußrist und Fußspitze sind heutzutage extrem schnell bedienbar. Die meines Erachtens beste und anwenderfreundlichste aller Snowboardbindungen ist die sogenannte Flow-Bindung, die nicht einmal mehr ein Hinsitzen erfordert. Flow-Bindungen verfügen über eine feste Fußschlaufe vorne (Powerstrap) und einen klappbaren Fersen-Schaft (Highback). Der Einstieg erfolgt von hinten durch das Hochklappen der rückwärtigen Klappe, meist schon während man zum Beispiel aus dem Schlepplift herausgleitet. Bis die Skifahrer ihre beiden Stock-Schlaufen über die Hände gestreift haben, ist der Snowboarder schon unterwegs Richtung Tal.
Irrtum zwei: Snowboarder sind zu langsam. Falsch. Sowohl unter den Snowboardern gibt es schnellere wie langsamere Fahrer, genauso wie in Gruppen mit nur Skifahrern. Die Lösung ist einfach. Die Gruppe ist einem wichtig, also wartet man gerne. Oder man bildet Gruppen gleicher Geschwindigkeit.
Irrtum drei: Snowboarden stört die Familienharmonie auf der Piste. Falsch und richtig. Fahren zum Beispiel die Eltern beide Ski und die Kinder Snowboard, kann das absolut gut funktionierten, wenn Fahrkönnen und Geschwindigkeit kongruent sind und keine anderen Gründe (wie z.B. schwelende Pubertätskonflikte) eine gewisse Gruppendynamik bedingen. Schwierig wird es dagegen, wenn die Kinder vielleicht in einem Alter von drei bis fünf Jahren gerade erst das Skifahren lernen. In dieser Phase ist es von Vorteil, wenn die Eltern Hilfestellung leisten können, indem sie die Kinder auch schon einmal zwischen die Beine nehmen oder sie diese seitlich am Skistock neben sich herfahren lassen. Diese Hilfe können ein snowboardender Vater oder eine snowboardende Mutter nicht wirklich geben.
Der Komfort-Aspekt.
Nur mit einem Brett unterm Arm locker und lässig von der Unterkunft zum Lift laufen, das hat ohne Zweifel etwas. Die Ski über den Schultern können die Skistöcke bei eisigem Untergrund andererseits vielleicht wie Gehstöcke stabilisierend wirken. Ok, war ein Versuch.
Aber wer in einer Bergstation mal zur Mittagszeit mit seinen Snowboard-Boots hinter einem Skifahrer die Treppen in Richtung Toiletten hinunter gelaufen ist, dem muss man spätestens dann den Komfortunterschied nicht mehr erklären. Skistiefel gehören nach wie vor zum unbequemsten Schuhwerk der Menschheitsgeschichte und haben ihre Ähnlichkeit mit der mittelalterlichen Eisenkugel an der Kette trotz aller Neuerungen nicht verloren. Um etwas Positives über Skischuhe zu sagen: sie haben mit ihren neuen Modellen die Fraktur-Häufigkeit vom Sprunggelenk in die Mitte des Unterschenkels verlagert, was laut Unfallchirurgen im Heilungsverlauf weniger komplikationsträchtig ist.
Einen eindeutigen Gewinn in Sachen Komfort gibt es für die Skifahrer auf der Piste. Will sich der Snowboarder zwischendurch mal ausruhen, auf andere Gruppenmitglieder warten oder einfach mal die Landschaft bestaunen, muss er sich meist hinsetzen. Könner schieben sich den Schnee unter dem Brett mit ruckartigen Bewegungen so zurecht, dass sich eine kleine Ebene ergibt, auf der sie mit dem Brett stehen können. Skifahrer halten einfach an, stützen sich vielleicht zusätzlich locker und entspannt auf ihren Stöcken ab. Fertig. Klarer Komfort-Punkt.
Skifahren extrem
Der Image-Faktor.
Eigentlich eine anachronistische Diskussion. Es gab tatsächlich einmal Zeiten, da war Snowboarden auf den Pisten und lange auch noch das Liften mit Snowboard komplett verboten. Das Vorurteil, dass Snowboarder die Pisten „kaputtmachen“, hielt sich lange Jahre in den Köpfen traditionsbewusster Wintersportler. Hinzu kam, dass sich viele Skifahrer durch die hippe, alternative Kultur der Snowboarder auf und abseits der Piste nicht nur beim Skifahren, sondern in ihrer gesamten Lebensphilosophie angegriffen fühlten. Diese Rivalität ist zum Glück fast schon „Schnee von gestern“! Die bunt angezogenen Skifahrer, die neben Snowboardern über die Pisten gleiten oder in den Fun-Parks mit den Snowboardern um die Wette jumpen, haben zu einer völlig anderen Wahrnehmung und zu einem Ausgleich der Erscheinungsbilder gesorgt. Gerade in Gruppen von Jugendlichen ist die Koexistenz von Ski und Snowboard heutzutage eher die Regel als die Ausnahme. Weder für das eine wie für das andere gibt es Altersbegrenzungen oder Limits, was die sportliche Note oder den Fun anbelangt. Fazit: alle sind cool! Wunderbar finde ich Bilder, bei denen Skifahrer dem langsam vor sich hindümpelten Snowboarder hilfreich ihren Skistock hinhalten, um ihn über den „Ziehweg“ hinwegzuziehen.
Und was Skifahrer und Snowboarder absolut eint, ist die Leidenschaft für ihren wunderbaren Sport. Suchtpotential hat das eine wie das andere.
Last not least - das Verletzungsrisiko.
Statistiken sagen, dass die Verletzungsquote bei Snowboardern etwa doppelt so hoch sei wie die von Skifahrern. Es kommt allerdings darauf an, welches Level der Snowboarder an den Tag legt. Wagemutige Snowboarder auf Schanzen oder in Halfpipes können sicherlich alle auf eine beträchtliche medizinische Historie zurückblicken. Verstauchungen und Prellungen sind typische Verletzungen beim Snowboarden. Bei Anfängern und ungeübten Snowboardern stehen Handgelenksverletzungen bis hin zu Brüchen im Vordergrund, da man sich bei einem Sturz auf diesen abstützt. Schwere Kopfverletzungen sind statistisch beim Skifahren häufiger, die Zahl der tödlichen Unfälle ist dementsprechend höher. Die klassischen Knieverletzungen beim Ski alpin sind vordere Kreuzband- und Seitenbandrisse sowie Meniskusverletzungen. Aber wie anfangs ausführlich betont: Oft kommt es zu Stürzen sowohl der Skifahrer wie der Snowboarder, weil der Bewegungsapparat nicht ausreichend trainiert und überbeansprucht ist.
Viele wissen nicht, dass der „Verkehr“ auf der Piste auch geregelt ist. Hier greift die Strassenverkehrsordnung zwar nicht mehr, aber die FIS-Regeln habe eine vergleichbare Funktion. Würden sich alle daran halten, könnten Gefahrenmomente, Unfälle und damit auch Verletzungen drastisch reduziert werden.
Und noch eine ganz wichtige und leider zu oft als Kavaliersdelikt belächelte Unfall- und Verletzungsursache - der Alkohol. Bereits um die Mittagszeit gehört es für viele zum guten Ton und zum Event dazu, die fantastische Stimmung durch allerlei alkoholische Getränke weiter anzuheizen. Die Kombination von Alkohol und müden Muskeln ist schlichtweg fatal. Der Kontrollverlust lässt mit diesen Rahmenbedingungen manche Abfahrt am Nachmittag im Hospital enden. Leider liegt oft der unschuldige Unfallgegner mit im Helikopter. Auch wenn es regelmässig einen Aufschrei in einer bestimmten Gruppe von Wintersportlern auslöst (wobei man sich fragt, ob der Begriff dann wirklich noch zutrifft), sind Alkohol-Stichproben auf der Piste vielleicht doch die Lösung. Und Après Ski-Bars gibt es am Ende eines Tages unten im Tal überall mehr als genug, wenn man es richtig krachen lassen möchte. Oder auch nicht.
Ski oder Snowboard - was denn nun?
Wer erwartet hat, dass er eine Anzahl an Feldern ankreuzt und am Schluss ein Computer ausspuckt, ob man sich nun dem Snowboarden oder dem Skifahrten zuwenden soll, mag am Ende ein wenig enttäuscht sein.
Ein Ratgeber kann immer nur einen Rat geben, aber keine Entscheidungen abnehmen, da die Individualität eines Menschen nicht kategorisiert werden kann.
Daher sollte jeder am besten alle Faktoren auf sich wirken lassen. Was spricht einen an, was stört einen. Wie oft ist man in den Bergen. Wieviel Zeit hat man zum Üben und zur regelmässigen Praxis. Welche sportlichen Voraussetzungen bringt man mit. Mit wem will man unterwegs sein. Das man kein ganz objektives Urteil erwarten kann, wenn man mit einem eingefleischten Skifahrer oder Snowboarder spricht, dürfte klar sein. Dafür liebt jeder genau seinen Sport viel zu sehr. Daher ist der einzig mögliche Weg: Einfach mit dem anfangen, das einem spontan am naheliegendsten und sympathischsten erscheint. Egal ob Ski oder Snowboard. CU! Man sieht sich!
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