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AutorenbildEllen Kuhn & Dr. Joachim Materna

Haruki Murakami, SÜDLICH DER GRENZE, WESTLICH DER SONNE (Gefährliche Geliebte)

Aktualisiert: 6. März 2020


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Endlich ein Murakami.

Was hatten wir nicht schon alles über diesen japanischen Autor gehört und gelesen. Neben einer unendlichen Liste an Auszeichnungen erhielt er 2014 den Welt-Literatur-Preis, war mehrfach Anwärter auf den Literatur-Nobelpreis und trotz aller Begeisterung dennoch mitunter so polarisierend, dass ein Streit über eines seiner Bücher die partielle Auflösung des Literarischen Quartetts provozierte.

Ein Schriftsteller, der für seine Bücher lebt, jeden Tag morgens um 4 Uhr aufsteht, um zu schreiben und den Nachmittag mit Laufen und Schwimmen verbringt, um stets fit genug fürs Schreiben zu sein.

Sein Buch „Südlich der Grenze, westlich der Sonne“ war bereits im Jahr 2000 aus dem Amerikanischen ins Deutsche übersetzt worden, allerdings unter dem Titel „Gefährliche Geliebte“. 2013 wurde das Buch nochmals aus dem japanischen Original ins Deutsche übersetzt und trifft nach Aussage aller Kenner dadurch das Originalbuch in jeglicher Hinsicht besser.

Die Story klingt auf den ersten Blick eher abgedroschen, aber es ist ja zum Glück ein Murakami! Ein junger japanischer Mann names Hajime erlebt als Teenager mit Shimamoto seine erste große Liebe, jedoch ist es eher eine schwärmerische Verliebtheit enormer Intensität ohne jede Körperlichkeit. Obwohl danach noch eine Vielzahl unterschiedlichster Beziehungen folgen (mal als schüchtern-platonische, mal als exzessive sexuelle Beziehung), ist Shimamoto immer präsent und lässt ihn sein ganzes Leben lang nicht mehr los. Selbst dann nicht, als Hajime bereits verheiratet ist, zwei Kinder hat und beruflich große Erfolge feiert. Und ganz plötzlich taucht sie nach fast 20 Jahren wieder auf.

Was dieses Buch von anderen Werken mit ähnlicher Thematik abhebt, ist die verbale und analytische Treffsicherheit und absolut ungewöhnliche Empathie, mit denen Murakami dieses Dreiecksverhältnis zwischen der mehr als liebenswerten Ehefrau, der geheimnisumwobenen Shimamoto und dem Protagonisten Hajime darstellt. Es werden Fragen aufgeworfen, die sich mit Sicherheit schon sehr viele Leser selbst gestellt haben. Ein paar Beispiele.

Kann man nach dem Verlust seiner absolut grössten Liebe jemals wieder eine emotional ähnlich tiefe Beziehung führen oder ist alles, was folgt, nur ein schaler Abklatsch? Kann man als Mensch in einem Zustand, das alle Kriterien des perfekten Lebens erfüllt, Leere empfinden? Sind Affären im Leben eines guten Ehemannes normal und für die familiäre Beziehungsstruktur ohne Bedeutung? Was passiert, wenn auch bei einem Mann während einer ausserehelichen Beziehung auf einmal tiefe Gefühle auftreten? Wie ändert sich die Beziehungsstruktur durch das Fremdgehen? Und was geht dabei in einem Mann vor bzw. in einem Mann mit der Persönlichkeit eines Hajime?

Fast untypisch für einen Mann (sorry an alle Männer…) gelingt es dem Autor Haruki Murakami mit einem hohen Mass an Empathie und Emotionalität, dass wir als Leser an der Gefühlswelt von Hajime Teil haben dürfen - Schritt für Schritt, Gedanke für Gedanke, mit allen Höhen und Tiefen. Mal folgen wir mit vollem Verständnis und Mitgefühl, mal mit Unverständnis und Entrüstung. Aber muss ein gutes Buch nicht genau so sein?

Ein Problem gibt es mit diesem herausragenden Werk letztendlich doch noch.

Wer mit einem offenen Ende oder mit Büchern, die einem viel Interpretationsspielraum lassen, nicht umgehen kann, wird etwas unzufrieden zurück bleiben. Da erinnert „Südlich der Grenze, westlich der Sonne“ an ein abstraktes Gemälde. Komposition und Farben erzeugen Staunen und Bewunderung. Dass einem bei so einem Bild die konkrete Darstellung abgeht, ist verzeihlich. So ist es auch bei Murakami. Was in der Geschichte Fiktion war und weshalb die letzten Geheimnisse nicht gelüftet wurden, das zu entscheiden überlässt er seinem Leser.

Da wir uns bei diesem letzten Punkt nicht ganz einigen konnten, gibt es keine glatte 5-Sterne-Bewertung. Aber 4,9 ist so gut wie 5.

© Travel-Edition

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